Was hat Gott mit Selbstheilung zu tun? ... (218)

Die Klientin leidet an einer chronischen sog. „unheilbaren“ Krankheit und wird am Anfang dieser Sitzung intensiv mit dem Gefühl „es ist sowieso alles sinnlos“ konfrontiert.

Kl: Da ist soviel Ohnmacht - ich kann nichts ändern. ... Da taucht jetzt Gott auf. Er sieht so aus, wie ich ihn mir immer als Kind vorgestellt habe. Er sitzt auf einem Thron und hat einen langen, weißen Bart.
Th: Dann gehe mal zu ihm, beschwere dich mal!
Kl: Er sieht mich gar nicht, er ist so groß. Ich kann nicht mal über die Absätze seiner Schuhe drüberschauen.
Th: Wie kleine Kinder Gott zeichnen, gigantisch groß, da haben sie keine Chance mehr. Zwick ihn in den großen Zeh.
Kl: (lacht) Es funktioniert.
Th: Natürlich funktioniert es, es traut sich nur niemand. Beugt er sich runter?
Kl: Jetzt schaut er erst mal. Und es dauert alles so ewig lange, weil er so groß ist.
Th: (lacht) Schön. Jetzt beschwere dich mal.
Kl: Moment, das dauert noch. ... Er sagt: „Mein Wille geschehe.“
Th: Was ist sein Wille?
Kl: Er sagt: „Das ändert sich von Sekunde zu Sekunde.“
Th: So ein Wischi-Waschi-Typ ist das? ...lachen....
Kl: Das hat er aber gesagt. Sein Wille ändert sich von Sekunde zu Sekunde.
Th: Frage ihn, was du machen müßtest, damit sein Wille bei dir konstanter wird. Willst du gesund werden? Beschwere dich!
Kl: Ja, was heißt da beschweren. Wenn es sein Wille ist, dann ist es sein Wille. Dann muß ich es annehmen.
Th: Ja, sein Wille ist ja in Ordnung. Aber was ist dein Wille?
Kl: Ich kann ihn vielleicht darum bitten, aber ich kann es nicht wollen.
Th: Das haben sie dir gut beigebracht mit dem Bitten. Ich würde dir empfehlen, fordere es doch mal! Gesund-heit, da hast du ein Recht drauf.
Kl: Nein. Ich finde, es ist eine Anmaßung, das zu behaupten.
Th: Klar, daß du krank bist. Das ist das erste, was du rausschmeißen mußt. Das haben die meisten Leute drin, die sagen, um Gottes Willen, Gesundheit, ich kann jeden Tag darum beten. Ich bin so abhängig. Ich bin so klein. Schicksal. Teufel. Ich habe etwas falsch gemacht. In dir ist tief verankert, du hast kein Wort mitzureden. Du hast dich hinzugeben. Und das ist noch nicht mal der liebe Gott. Das ist der liebe Gott, der dir eingepflanzt wurde als Kind. Wenn du in Asien aufgewachsen wärst, hättest du so einen Typ mit dickem Bauch da sitzen, den würden sie Buddha nennen.
Kl: Ja, ich bin bereit, alles zu machen, was ich machen kann. Jetzt mußt du, Gott, es aber auch noch wollen. - Ich denke, wenn du es nicht auch willst, daß ich gesund werde, dann geht es nicht.
Th: Also du macht sowas, wie: wenn du willst, will ich auch.
Kl: Nein, das ist unabhängig voneinander. Wir müssen beide wollen.
Th: Ach so, das heißt also, wenn du willst und er will auch, dann geht es. Wenn du willst und er will nicht, dann geht es nicht.
Kl: Genau!
Th: Dann frage ihn, was du machen kannst, damit er will.
Kl: Er sagt, das kann er mir jetzt gar nicht sagen, da gibt es so eine bestimmte Ordnung, und wenn es da hinein-paßt, daß ich gesund werde, dann macht er es, und wenn das nicht in diesen Plan reinpaßt, dann geht es eben nicht. Das kann er jetzt noch nicht sagen.
Th: Bist du eine Marionette?
Kl: Ja, ich denke schon. Ich kann mich zwar total bemühen und all meine Energie da reingeben, gesund zu werden, aber Gott muß den letzten Kick geben.
Th: Gehe mal hin, sage, dieses System gefällt dir nicht, du suchst dir jetzt ein neues. Du suchst dir einen neuen Gott. Wenn er sauer ist, dann ist es sein Problem. Du schneidest die Marionettenfäden durch und suchst dir deinen eigenen Weg. Dann hast du die Chance, daß du etwas findest, das besser ist. Es könnte sein, es gibt etwas. Risiko! Guck mal, ob du dafür bereit bist. Du kannst ihm diese Freundschaft ja kündigen, diese Hierarchie, oder dieses System. An dieser Stelle durchbrechen wir mal das therapeutische Neutralitätsgebot. Ich empfehle dir: Schneide die Fäden durch. Ich weiß, das, was echt ist, wächst sofort nach. Was nicht funktioniert, muß weg.
Kl: (seufzt tief) Ja, okay. Jetzt habe ich sie durchgeschnitten. Jetzt wachsen lauter Äste aus meinen Händen heraus. Sie wachsen jetzt oben zusammen zu einer Krone, eine ganz breite Krone. Ganz lange Äste hat der Baum.
Th: Du wirst jetzt richtig zu einem Baum? Sei mal der Baum. Was ist die wichtigste Eigenschaft von dir?
Kl: Geduld. Ausdauer. Einfach nur da sein. Eine ganz breite ausgeprägte, große Krone. Ganz lange Äste hat er ... Ich habe ganz lange Äste und eine große Krone.
Th: Ist es schön, wahrzunehmen, wie der Baum im Leben steht? In der Welt ist?
Kl: Ja, ich stehe draußen und ich sehe, es tanzen viele Menschen um mich herum.
Th: Spüre mal den kleinen Unterschied: Der Baum hat den absoluten Willen, genau das zu werden, was er will, ja? Er hat aber den absoluten Willen, nur das werden zu können, was er kann. Nämlich ein Baum. Und das heißt: Dein Wille geschehe. Und nicht, mein Wille geschehe. Kannst du es spüren? Und spüre es mal übertragen auf dich. Du hast den absoluten Willen: „mein Wille geschehe“, dein eigener Wille geschehe, daß du gesund wirst, daß du zu dem wirst, was du willst, absolut toll und perfekt, und das heißt dann: Dein Wille geschehe. Da kann dir niemand reinreden.
Kl: Ja, jetzt verstehe ich es.
Th: Und du hast einen großen Vorteil. Du kannst mit deinem Bewußtsein sogar zum Baum werden und zu tausend anderen Sachen auch, gleichzeitig. Dein Bewußtsein ist absolut frei. Und wenn du es wirklich willst, wirst du auch zum Baum. So sehr, daß du dich auch genauso fühlen kannst, genau die Kraft wahrnehmen kannst. Das ist das Tolle daran. Wenn du es willst, kannst du auch wieder gesund werden.
Kl: Ja, aber irgendwie paßt es noch nicht so hundertprozentig. Ich meine, es könnte doch einfach auch wichtig sein für mich, diese Krankheit zu haben und mit dieser Krankheit zu leben, damit ich einfach ganz bestimmte Sachen lerne, oder ganz bestimmte Erfahrungen mache. Ich hab ja auch schon sehr viel gelernt durch meine Krankheit.
Th: Ja, und solange du immer noch den Verdacht hast, du würdest viel lernen durch die Krankheit, wirst du auch nicht gesund. Wie willst du denn da gesund werden? Die Fähigkeit hast du, es dir genauso zu basteln, wie du willst. Wenn du das Gefühl hast, daß du dadurch am meisten lernst, dann ist das so. Da kann niemand von außen etwas machen. Es ist deine Freiheit. Und ich sage dir, es gibt noch eine andere Freiheit. Wenn du dir sagst, du kannst es auch ohne lernen, dann geht es auch ohne. Wenn du gesund bist, hast du viel mehr Möglich-keiten von Erfahrungen. Die Leute sind alle so froh in ihrem Gefängnis, mit ihrem Herrgott im Himmel und Jesus am Kreuz. Wenn du denen sagst: Geh doch raus, die sagen: Um Gottes Willen, ich will doch gar nicht. Das ist aber nicht ihr freier Wille. Das sind antrainierte Schuldgefühle, in kleine Kinder schon eingepflanzt. Guck mal, wie riesengroß dein Gott in dir ist. Siehst du das? Wenn sie dir Gott eingepflanzt hätten als gütigen, weisen, alten Mann, der immer da ist für dich, er wäre dann normal groß, gütig und nett und wirklich für dich da. Man sollte sich eigentlich wirklich kein Bild machen von Gott. Das heißt es eigentlich ursächlich. Und wenn man sich schon eines macht, dann ein universelles, total flexibles. Also, bastle dir einen Herrgott, der dir hilft, wieder gesund zu werden. Dann kannst du viel mehr beten, wenn du willst. ...Kl. und Th. lachen... Spüre mal die Freiheit, die darin liegt. Und jetzt gehe mal zu deinem Gott hin - da kannst du immer hingehen - er hat dir eh alle deine Sünden zu vergeben, du darfst ruhig frech sein. - Geh mal hin und guck mal, ob er sich schon verändert hat.
Kl: Ja. Er ist immer noch so groß, aber er sieht aus wie ein Penner. Eine ganz alte Cordhose hat er an, eine zerlumpte. Und er raucht und ist unrasiert, so mit Bartstoppeln...
Th: Nicht Heiliges mehr?
Kl: Nein. - Lachen - Also, er trinkt auch Alkohol. Und jetzt lallt er „Mein Wille geschehe“. Er ist total betrunken, redet nur Schmarrn. Totaler Schmarrn! ...lachen....
Th: Diese Session dürfen wir aber nicht veröffentlichen. Damit ärgern wir einige Pfarrer.
Kl: Er sitzt einfach nur da, nimmt überhaupt nichts um sich herum wahr, raucht nur und trinkt und gibt irgendwelche Floskeln - irgendwelchen Scheiß von sich.
Th: Guck mal, was dein Unterbewußtsein für eine präzise Wahrnehmung hat, wie Gott momentan in der Welt ist. Genauso ist nämlich Gott in der Welt, besoffen, kriegt nichts mehr mit, lallt Floskeln und keiner nimmt ihn mehr ernst. Und rundherum geht alles baden. - Na, den kannst du absetzen. Das kannst du freiwillig machen. - Wie geht es dir mit deiner Sinnlosigkeit?
Kl: Ja. Das Thema mit Gott hat eine Verbindung zu meinem inneren Gefühl der Sinnlosigkeit. So irgendwie das Gefühl, ich kann ja doch nichts machen. Wenn es so von oben gewollt ist, ich kann zwar alles probieren, aber wenn Gott letztendlich nicht will, dann geht es auch nicht.
Th: Und das ist Unsinn. Den Gott in dir kannst du so ändern, daß er will und das ist der Riesenunterschied. Und ich sage dir, sogar du darfst Gott spielen. Deinen eigenen Gott darfst du spielen. Gott erlaubt selbst diese Rolle. Ich weiß, daß das ein ganz heiliges Thema ist, ein ganz heißes Thema. Es heißt, man nimmt sein Leben selbst in die Hand, man nimmt Gott selbst in die Hand.
Kl: Ja, ich habe nicht geglaubt, daß ich so eine tiefe Prägung in mir habe, dieses Gefühl, daß alle Verantwortung für mein Gesundwerden bei Gott liegt.
Th: Die Prägungen sind so tief, daß sie entscheidend sind. Und du denkst, „ich habe mein Leben in der Hand“, aber das stimmt überhaupt nicht, denn die Bilder, die tief in dir verankert sind, haben eine viel größere Macht. Es ist das Schlimme, daß die Leute wirklich an das Schicksal glauben: Es hat keinen Sinn. Man muß sich ergeben. Man muß sein Schicksal tragen, sein Kreuz tragen. Ganz tief ist das aber ganz anders gemeint....